Reflektionsbericht nach einem Jahr.
Ein Jahr nach Indien


Nach knapp einem Jahr habe ich es vor zwei Wochen mal geschafft, meine Fotos von Indien entwickeln zu lassen. Eingeklebt habe ich sie aber immer noch nicht. Das macht mich irgendwie zu sentimental. Aber mit den Erinnerungen ist das ja immer so ne verzwickte Sache. Details vergisst man irgendwann und andere Geschichten hat man so oft erzählt, dass man zum einen nicht mehr weiß, ob sie wirklich so passiert sind - und zum anderen werden sie irgendwann alles, voran man sich noch erinnern kann. Wenn ich meine Zwischenberichte aus der Indienzeit lese, weiß ich manchmal gar nicht, ob dass ich war, die das geschrieben hat.
Und dann kommt man wieder nach Hause und die Erwartungen sind riesengroß. Aus welchen Gründen auch immer, war ich der Meinung, alles müsste jetzt ganz anders sein. Enttäuschender oder auch beruhigender Weise ist das aber nicht so.
Das Leben der anderen ist in der Regel auch ganz normal weitergelaufen. Ich war dann wieder in Deutschland, hab noch mal Fotos gezeigt und alles ist wieder wie früher. Und wenn ich es recht bedenke, ist ein halbes Jahr im Ausland ja nun auch wirklich kein Drama. Und trotzdem hat sich nach meiner Rückkehr immer wieder das Gefühl beschlichen, dass ich nicht mehr ganz reinpasse. Vor allem in den ersten drei Monaten, sind viele Sachen einfach komplett an mir vorbei gegangen, an die ersten zwei Wochen in Deutschland kann ich mich nicht mal mehr erinnern.
Alles was mit Indien im Zusammenhang stand, hat mich wehmütig gemacht. Und ständig habe ich darüber nachgedacht, welche Sachen schief gelaufen sind, was ich hätte anders oder besser machen können. Wie habe ich mich in bestimmten Situationen verhalten? Stand ich völlig neben mir?
Zusammengefasst: der Lernprozess, der erst dann einsetzt, wenn man wieder zu Hause ist, ist fast noch anstrengender als das halbe Jahr Indien. Nur dass ich darauf nicht so recht vorbereitet war.
Und trotzdem, die Zeit, die ich dort verbracht habe, war einzigartig und ich will noch viel mehr sehen (da müssen Mutti und Papa einfach mal durch)!
Viele Sichtweisen haben sich verändert, ein ganz neues Verständnis von Toleranz hat sich entwickelt und ich glaube ich bin um einiges lockerer geworden. Und auch wenn der Satz viel zu oft benutzt wird, das neue Selbstbewusstsein bekommt man wirklich auch noch dazu.
Einfach war es also wirklich nicht, aber andererseits auch so berauschend, dass ich nicht wieder weg wollte. Aber nach knapp einem Jahr kann ich behaupten, dass mein Leben nicht wieder normal weiter gelaufen ist, und das ist wirklich gut so.
6. und allerletzter Zwischenbericht 21.02.2007



Hi an alle,

hey, ich bin bald wieder zu hause. noch eine woche von heute an. im moment
bin ich in Chennai und nehme meinen resturlaub. ich gammel den ganzen tag so
vor mich hin und versuch mich mental wieder auf das leben in deutschland
vorzubereiten.
wenn ich ganz ehrlich bin, will ich noch nicht weg. oder vielmehr woanders
hin, aber nicht nach deutschland. das klingt nicht ganz logisch, aber ich
will noch nicht in mein altes leben zurueck.

am montag habe ich das kinderheim verlassen und das war ein verdammt harter
abschied. die kinder haben mich angefleht zu bleiben und ich hab geweint und
geweint. nicht gerade sehr professionell... aber dieser job war auch nicht
normal. ich konnte nicht einfach nach hause gehen und wir haben alle,
angestellte und kinder, so eng miteinander gelebt und so viel zeit
miteinander verbracht. schlussendlich ist das mein zuhause geworden und ich
wollte nicht gehen.
aber ich habe versprochen wieder zu kommen wenn ich mein studium beendet
habe. dann sind meine kleinen schon ganz gross und hoffentlich immer noch so
lebensfroh.

aber jetzt mit ein wenig abstand geht es mir besser und ich versuche so gut
es geht meine gedanken auf die zukunft zu lenken.
ich kann ganz viel mehr erzaehlen wenn ich wieder zu hause bin...

bis in einer woche,
eure tine







5. Zwischenbericht 20.01.2007

Hallo an alle,

Jetzt sind schon ueber 4 monate rum, oh mein gott. Ich bin aus meinem urlaub
mit martin zurueck und habe jetzt noch 5 wochen im kinderheim. Das is gar
nicht mehr viel und so langsam kommt mir ins bewusstsein, dass ich danach ja
auch noch ein leben in deutschland habe. Das habe ich bis jetzt ja
erfolgreich verdraengt. Nach wie vor faellt mir das auch einigermassen
schwer.

Aber mein urlaub wahr fantastisch. Martin und ich sind 3 wochen durch ganz
suedindien gereist, haben sehr tolle straende und millionenstaedte gesehen.
Und ich hab mir meinen kindheitstraum erfuellt und bin auf einem elefanten
geritten. Und der hat geknurrt, jawohl!
Wir haben faszinierende temple besucht und ich habe mal wieder einsehen
muessen, dass ich den hinduismus nie begreifen werde. So viele gebete und
feiertage und regeln und und und… ein hindu meinte mal zu mir, dass selbst
die religionsangehoerigen nicht durchsehen.
Leider war ich den ganzen urlaub ueber noch krank. Meine indische erkaeltung
war tatsaechlich eine indische grippe und dauerte alles im allen 4 wochen,
einen ganzen monat. Das geht natuerlich ganz schoen an die moral. Und immer
oefter habe ich das gefuehl, dass ich ja langsam mal wieder nach hause
koennte. (vorallem weihnachten war schlimm). Weihnachten ist fuer mich
dieses jahr einfach ausgefallen, ich hatte einfach keine weihnachtsstimmung…
aber trotzdem ein dickes dankeschoen fuer die weihnachtsgruesse!

Als ich zurueck bin ins kinderheim, sind die kinder fast ausgerastet. Sie
meinten, dass tine auntie nie wieder nach Deutschland gehen darf. Ich glaub
das war das beste lob, dass ich hier bis jetzt bekommen hab. Aber ich denke
ich komme trotzdem mal wieder heim. Monsoon is vorbei und es wird tag fuer
tag wieder heisser. Mein koerper sieht auch jetzt schon seltsam aus. Meine
arme, fuesse und mein nacken sind tatsaechlich recht braun geworden, aber
der rest hat die indische sonne noch nicht gesehen. Indischer dresscode.

In den letzten tagen haben wir hier Pongal gefeiert, das groesste fest in
Tamil Nadu. Es ist eine art erntedankfest und auch gleichzeitig die
suedindische sommersonnenwende und auch das Tamil neujahr. Aus gegebenen
anlass haben wir also 3 tage lang nur gegessen, gebetet (ich nicht, die
hindus) und gefeiert und getanzt. Das war wirklich mal ne party in unserem
abgelegenen kinderheim.

Oh, und gestern noch ein weiterer hoehepunkt. Doreen und ich haben mit den
kindern, den angestellten und gaesten die bibliothek, die wir fuer das
kinderheim aufgebaut haben feierlich eingeweiht. Gut zu wissen, dass wir
etwas hier lassen koennen und dass wir was sinnvolles geschaffen haben!
Ausserdem habe ich in einem indischen altenheim eine frau kennengelernt die
105 jahre alt ist, in iniden!. Ich finde, sie sollte zu einem weltwunder
ernannt warden.

Zum schluss noch mal: wenn emails bei mir laenger dauern oder ich gar nicht
antworte ist das nicht weil ich keine lust habe ode rich ein fieser mensch
bin. Das haengt hier einfach von so vielen faktoren ab, dass ich froh bin,
wenn ich 2 mails in der woche fertig bekomme. Nichts desto trotz kommt das
alles bei mir an und ich weiss es zu schaetzen!!! Versprochen.


liebe gruesse,
tine





4. Zwischenbericht 12.12.2006

Ein froehliches vanakaam aus Indien,

Vor knapp zwei wochen hatte ich halbzeit, heisst 3 monate in indien. Seltsam
aber ich bekomme schon sowas wie abschiedsstimmung.

3 monate hier, 3 beobachtungen aus meinem alltag:

1) die inder lieben lichtschalter:
In jedem indischen hotel und in jedem indischen haushalt gibt es in einem
raum etwa 20 lichtschalter, obwohl es meistens nur eine gluehbirne gibt.
Warum das so ist weiss ich nicht.
Ich habe in einem hotel mal den pagen gefragt und der hat mich nur
verstaendnislos angeguckt. Er meinte es koennte ja gut sein, dass irgendwann
noch mehr gluehbirnen hinzukommen.

2) inder sind herdentiere:
Der gemeine inder hasst es alleine zu sein. Sie treten immer in gruppen auf.
Irgendwie sehen auch alle gleich aus. Nach 3 monaten sind die bunten saaris
fuer mich zum alltag geworden und nicht mehr so besonders. Erst jetzt faellt
mir auf, dass alle saari oder panjabi (langes top und hose) tragen. Ausser
den farben unterscheidet sich nichts. Bei den maenner genauso. Alle tragen
schnauzbart und karohemden. Bringt mich zu dem schluss, dass inder einfach
nicht gerne auffallen.
Auch wenn inder in einer garkueche sind und an einem tisch sitzen, bestellen
alle das selbe essen.

3) inder haben ein sehr verwirrendes verhaeltnis zu sex:
Indien ist ein totales anfassland. Aufgrund der ueberbevoelkerung kann man
sich gar nicht nicht beruehren. Nur die eigene ehefrau, die darf man nicht
in der oeffentlichkeit anfassen. Und sex hat man schon gar nicht, das
gehoert sich nicht. Und trotzdem, irgendwo muessen ja die ganzen kinder
herkommen. Versteht ihr was ich meine?


Ich hatte nen sehr stressigen monat. Mehr wichtige menschen aus australien
kamen und ploetzlich laeuft der laden. Ich habe ein internationals seminar
ueber kinderrechte in der 3.welt besucht, auf dem spezialisten aus aller
welt vortraege gehalten haben. Das war sehr faszinierend.
Ausserdem habe ich ne menge projekte besucht und nen einblick bekommen, was
soziale arbeit in indien eigentlich bedeutet.
Am wochenende war ich in den Bergen im herzen von suedindien. Wir haben 3
tagen mit den einheimischen gelebt.
Und wenn ich dachte, ich wuesste jetzt was armut ist, habe ich mich
getaeuscht. Diese menschen leben wirklich noch wie im europaeischen
mittelalter. Kein strom, kein wasser, keine toiletten, keine schule, keine
medizinische versorgung, nichts. Leute sterben an erkaltungen oder mit
mitte vierzig, weil das leben in den Bergen so hart ist. Keiner kann lesen
oder schreiben.
Wir haben in deiner lehmhuette geschlafen, einfach auf dem festgestampften
boden. Uns zu ehren haben sie extra ein huhn geschlachtet. Und obwohl ich
hier vegetarier geworden bin, konnte ich schlecht ablehnen. Das huhn war so
halb durchgekocht und ich glaube ich hatte ein auge auf meinem teller.

Ich habe einfach mal wieder gemerkt, wie westlich ich bin. Mein gott war ich
froh als wir wieder nach hause sind.

Zu dem ganzen stress kommt dann noch der kram im kinderheim.
Meine anleitung fuer mein praktikum ist quasi nicht vorhanden. Ich hab meine
anleiterin jetzt vielleicht 6 mal gesehen.
Und wie die inder so sind koennen sich nicht auf den punkt bringen was sie
sagen wollen. Sie gibt mir nur wage andeutungen mit denen ich nichts
anfangen kann. Jetzt weiss ich erst richtig meine geniale anleitung im
letzten praktikum zu schaetzen.
Zudem wurde die arbeit unserer sozialarbeiterin mal in augenschein genommen
und sie ueberlegen ob sie sie jetzt absaegen. Sie steht jetzt wahnsinnig
unter druck, denn sie schoen an uns weitergibt. Aber ich hab jetzt einfach
entschieden, das ich diesen ganzen sch... ignoriere. Denn die hauptsache
sind immer noch die kinder und die sind cool.

Alles im allen bin ich, ich glaub aufgrund des stresses oft krank gewesen.
Erst haben sich die moskitostiche an meinem linken fuss entzuendet, der
daraufhin monstrous angeschwollen ist und im moment habe ich die indische
version einer fiesen erkaeltung. Die arzt predigt mir immer mehr vitamine zu
mir zu nehmen. Aber wo soll ich die denn hernehmen?

Aber Martin kommt aber am Sonntag (juhuu) und bringt mir vitamintabletten
mit. Und dann haben wir erst mal 3 wochen urlaub…

Wenn ich etwas wirr geschrieben hab, entschuldige ich mich. Das liegt
einfach an dem fieber.



Liebe Gruesse,

Tine




3. Zwischenbericht 31.10.2006
Hallo ihr,

Tut mir leid, ich weiss, ich bin ein wenig im Verzug. Der Monsun hat letzte
Woche eingesetzt und hier geht ein wenig die Welt unter. Es regnet und
regnet und regnet, sowas hab ich noch nie erlebt. Der Buckingham Canal, der
an unserem Heim vorbei fliesst kommt immer dichter, aber irgendwie ist noch
keiner besorgt. Na ja, jedenfalls haben wir oft keinen Strom und das
Internet funktioniert sowieso nicht... Es kommt also zu Verzoegerungen.
Davon mal abgesehen haben wir letzte Woche eine neue Zivilisationsstufe
erreicht. Wir haben jetzt einen Wassererhitzer. Das heisst, wenn wir Strom
haben, haben wir auch warmes Wasser zum duschen und Waesche waschen. Strom
haben wir aber leider meistens nicht 

Im letzten Monat hat sich eine Menge ereignet. Der Gruender des
Kinderheimes, Dr. Chandran, kam aus Australien zu Besuch. Das Kinderheim
stand Kopf. Auf einmal wurde alles repariert, die Kinder neu eingekleidet
usw. Mit ihm kamen viele andere wichtige Menschen, die viel Geld an das
Kinderheim spenden. Alex meinte, die diese Menschen alle hohe Positionen in
Australien haben (Vorsitzender des obersten Gerichtshofes etc.), aber da ich
kein Australier bin, hat mich das eher wenig beeindruckt. Wichtigkeit ist
relativ. Das waren ganz nette Menschen und wir haben uns gut unterhalten.
Mein naechster Trip geht dann wohl nach Australien. Ich hab viele spannende
Einladungen bekommen.
Wie auch immer, „der Gruender“, wie wir ihn nennen, ist so wichtig, dass im
Maerz der Praesident von Indien kommt und das Kinderheim beehrt. Leider bin
ich dann ja nicht mehr da, sonst haett ich mir ein Autogramm geholt...

Oh, und es gibt neue lustige Tiergeschichten. Zu dem ueblichen Getier haben
sich nun Skorpione gesellt. Ich trau mich nicht mehr im Dunkeln eine Wand zu
beruehren, weil die bevorzugt da rumhaengen. Ratten und Maeuse nehmen im
Moment auch ueberhand. Aus diesem Grund hatten wir uns zwei kleine Katzen
gekauft. Eine ist leider gestorben. Der watchman hat sie hinterm Haus
begraben und ein streunender Hund hat sie wieder ausgebuddelt.
Und jetzt wo der Canal immer naeher kommt, kommen auch grosse Krabben und
krabbeln durch die Gegend.

Im Moment haben wir eine neue Freiwillige aus Australien hier, sie bleibt 6
Wochen. Das ist gut, sie bringt neue Energie in unseren Haufen. Ohne neue
Gesichter wird man irgendwann verrueckt. Wir verbringen hier 12 und mehr
Stunden am Tag miteinander, 7 Tage die Woche. Das ist menschlich verdammt
schwierig. Egal, Kathy ist life coach und Karatelehrerin (schwarzer Guertel,
3.Grad oder so). Sie ist 40, koennte also meine Mutti sein. Und ein wenig
muetterlich ist sie auch, aber das ist ja nicht das schlechteste.
Sie gibt mir private Karatestunden jeden Morgen von 6.30 bis 7.30 Uhr und
ist relativ gnadenlos, wenn es ums Training geht. Nennt mich Karate Kid, in
6 Wochen bin ich super durchtrainiert. Ausserdem darf sie Guertel vergeben,
d.h ich koennte mit dem Privatunterricht etwa zwei Guertel machen. Ich bin
sehr dankbar fuer diese Moeglichkeit, weil ich die Chance habe, mal meine
Aggressionen los zu werden. Hier staut sich doch einiges an.

Ansonsten plaetschert meine Arbeit so vor sich hin. In indischer Zeit eben.
Meine neuen Mantras sind Toleranz und Geduld. Wenn ich nicht aufpasse, gehe
ich ganz schnell in Ignoranz ueber. Ab und an hab ich einfach das starke
Beduerfnis auszubrechen. Manchmal wird einfach alles zu viel. Ich bin jetzt
zwei Monate hier und fragt mich nicht, wo die Zeit geblieben ist. Ich hab
keine Ahnung. Irgendwie habe ich das Gefuehl noch nicht so viel geschafft zu
haben. Beruhigenderweise geht es allen anderen Freiwilligen so. Ich weiss
auch nicht. Wahrscheinlich begreif ich erst nach dem halben Jahr, was ich
hier erreicht habe oder dass ich ein halbes Jahr hier gelebt habe.
Hoert sich bloede an, aber ich kann mich nur schwach erinnern wie es in
Deutschland war und weiss manchmal nicht, wie ich in mein altes Leben
zurueck soll. Ich wusste, dass dieser Trip wichtig fuer mich sein wird,
haette aber nie geahnt, welche Auswirkungen er tatsaechlich hat.


Ich gruesse euch lieb,

eure Tine
Tine im Saari... juhuu
Sonderbericht Nr: 1
aufgrund staetiger Nachfragen mal was ueber meine Arbeit hier:

Mein typischer Arbeitstag beginnt damit, dass es um 08.00 Fruehstueck gibt
(Reis mit Gemuese), um 8.30 starten die Kinder und ich in die Schule. Doreen
kommt meistens nicht mit, weil ihr der Weg zu lang ist und es recht heiss
wird.
Gegen 10.00 bin ich wieder im Kinderheim. Bis die Kinder um 17.00 wieder aus
der Schule kommen, machen wir verschiedene Projekte. Bis zum heutigen Tag
haben wir die Akten der Kinder durchgesehen, aktualisiert und sie in eine
Form gebracht, mit der Sozialarbeiter etwas anfangen koennen. Nebenbei haben
wir die Annual Day Celebration vorbereitet, die Geburtstagsfeier, die am
letzten Freitag stattfand. Unser naechstes Projekt wird hoffentlich der
Aufbau einer Bibliothek sein. Alex wird die Software schreiben und Doreen
und ich die Bibliothek einrichten und den Kinder beibringen wie man damit
arbeitet. Nebenbei hat die Schule gerade die Noten der Kinder geschickt, die
wir jetzt auswerten werden. Bei 34 Kindern ist das ein wenig umstaendlich.
Wenn meine Kids dann aus der Schule kommen, haben wir ne halbe Stunde um
miteinander zu spielen. Danach hefe ich ihnen bei den Hausaufgaben und
danach lernen wir Englisch.
Um 19.30 gibts dann dinner und dann bin ich meistens ziemlich erledigt. Nich
dass die Arbeit zu viel waere, aber die Hitze macht einen verdammt muede.

Und damit alles nicht zu routiniert wird, sind wir an Dienstagen mit unserem
Doktor unterwegs. Da koennen wir aufgrund der Sprachbarriere nichts
praktisches machen, aber er erklaert uns nebenbei was er macht, welche
Probleme die Menschen hier haben usw. An Freitagen sind wir vormittags jetzt
wahrscheinlich in die Schule gehen und die Gemeindeschwester bei der health
education helfen. Was das genau bedeuten soll weiss ich noch nicht.

Aber das ist ganz normal hier. Die Arbeit mit Indern faellt uns allen recht
schwer, weil sie sich zu keinen verbindlichen Aussagen hinreissen lassen.
Sie leben einfach im hier und jetzt und koennen, selbst wenn sie wollten,
noch nicht ueber die Plaene von morgen sagen. Das nervt recht oft, weil ich
in meiner Arbeit doch auch von anderen Menschen abhaengig bin und vieles
funktioniert dann einfach nicht so, wie ich das moechte. Aber langsam finde
ich mich mit dieser Arbeitsweise einfach ab. Woran ich mich aber schwer
gewoehnen kann ist, dass die Inder einfach nicht nein sagen koennen. Man
fragt jemanden, ob er dieses oder jenes erledigen kann, oder ueberhaupt die
Faehigkeit besitzt und er wird selbstverstaendlich ja sagen. Das muss aber
noch lange nichts heissen. Darum verlasse ich mich auf solche Aussagen
ueberhaupt nicht mehr.
Das selbe gilt fuer Zeitangaben. Dienstag um 10.00 ist in Indian Standard
Time vielleicht zwei Wochen spaeter oder auch niemals. Wie gesagt, man
bekommt keine verbindlichen Aussagen.

Aus diesem Grund hoffe ich, dass Alex, Doreen und ich das Bibliotheksprojekt
starten koennen, um relativ unabhaengig zu arbeiten. Alles andere wuerde
mich auf die Dauer zermuerben.

Aber zusammengefasst, ist TEWFI noch eine recht junge Organisation und man
kann noch sehr viel aufbauen und ausbauen. Man muss nur ueber kulturelle und
sprachliche Barrieren arbeiten und genug Energie haben. Und obwohl ich nie
mit Kinder arbeiten wollte, koennte ich meine Kids den ganzen Tag
abknutschen. Ich hab mich schon sehr an sie gewoehnt und anderrum genauso...

So, dass war ein kleiner Arbeitsbericht, ich hoffe es wird jetzt nicht mehr
gemeckert! :)

Liebe Gruesse,
Eure Tine
www.sinnlos.be
2. Zwischenbericht, 01.10.2006
Hi an alle,


im Grossen und Ganzen geht es mir immer noch recht gut. Im Moment allerdings
verbringe ich die meiste Zeit auf der Toilette, weil ich nen fiesen
Durchfall habe. Aber ich hoffe das ist in ein paar Tagen wieder in Ordnung.
Ansonsten habe ich mich recht gut eingewoehnt und sowas wie nen Alltag
gefunden. Das heisst zwar nicht, dass jetzt alles reibungslos verlaeuft
(noch lange nicht oder auch niemals), aber ich habe jetzt ne ungefaehre
Ahnung davon, wie die Dinge hier ablaufen.

Ich glaub eine der groessten Herausforderungen ist das Leben ohne den
westlichen Luxus. Wenn meine Waesche dreckig ist, stelle ich mich an den
Waschzuber und wasche sie mit der Hand und wenn ich ne Tafel Schokolade
moechte, fahre ich mit dem Bus 2 Stunden in die naechste Stadt. (Meistens
haenge ich eher am Bus).
Letzte Woche wollten Doreen, Alex und ich ein paar Nuesse, ich hab echt
keine Ahnung warum. Wahrscheinlich einfach mal Abwechslung vom Trockenobst.
Auf jeden Fall sind wir ins Dorf gegangen, haben da 2 Stunden auf die
Nussfrau gewartet, die auf jeden Fall nicht vertrauenserwecken aussah. Aus
einem Haufen Dreck hat sie dann Nuesse hervorgeholt. Die haben wir dann in
der Sonne getrocknet, angebraten, gepellt, gesalzen und dann aufgegessen.
Fazit war also, dass wir fuer eine handvoll Nuesse 5 Stunden gebraucht
haben. Diese eine Mal war das schon lustig, aber in der Regel wartet und
braucht man in Indien fuer alles recht lange.

Und wenn ich nach Indien gegangen bin, um ein paar Abenteuer zu erleben,
dann hab ich sie hier definitive gefunden. Die Haeuser in denen wir wohnen
und arbeiten sind zu allen Seiten offen. Eigentlich sin des mehr Saeulen mit
nem Dach drauf. Sonst waers auch echt zu warm. Als ich vor ein paar Tagen
aus meinem Zimmer kam, hat mich etwa 20 cm neben meinem Fuss ne Schlange
angefaucht. Eigentlich war sie recht klein. Ich hab kurz ueberlegt, ob ich
in Panik verfalle, habe mich dann aber dagegen entschieden. Ich bin dann zum
dinner gegangen und hab Geetha, der Hausmutter, von der kleinen Schlange
erzaehlt. Eigentlich wollte ich nur ein wenig smalltalk betreiben.
Auf jeden Fall fing sie an ihr Englisch zu vergessen und in Tamil auf mich
eingeredet. Nachdem dann allgemeine Unruhe ausgebrochen war, kam unser
watchman und hat die Schlange getoetet. Im Nachhinein hat Geetha mir dann
erzaehlt, dass die Schlange nicht nur giftig ist, sondern auch toetlich ist.
Danach ging es mir erst mal ne halbe Stunde dreckig. Und obwohl ich das
Rauchen hier so ziemlich aufgegeben habe, ging es auf diesem Schreck erst
mal nicht ohne.
Ich hab jetzt aber fuer mich entschieden, dass man das wahrscheinlich
sportlich sehen muss. Obwohl die Schlange den watchman wahrscheinlich eher
nich so sportlich fand. Na ja, der Staerkere ueberlebt…

An dem Abend ist dann auch noch die Lampe auf dem Gemeinschaftsklo
ausgefallen. Und da ich den Schreck doch noch nicht ganz verdraengt hatte,
habe ich einfach die Tuer aufgelassen. Die Idee war gut, nur das timing
nich. Alex weiss jetzt auf jeden Fall wie ich aussehe wenn ich auf dem Klo
sitze. (wieder so ne sportliche Sache).
Ueberhaupt entwickelt man hier sehr seltsame Tendenzen. Wir sind schon so ne
Art Minifamilie. Und immer wenn "Fremde" kommen, die aus welchen Gruenden
auch immer 2 Naechte mit im Volunteerhaus schlafen, warden wir ganz
misstrauisch und verstecken unsere Kostbarkeiten, wie z.B. das Klopapier.
Und das macht mir schon etwas Angst… Aber es ist gut Leute aus dem selben
Kulturkreis hier zu haben um sich einfach mal auskotzen zu koennen oder sich
ueber sehr krasse Erfahrungen austauschen zu koennen.

Oh, und wundert euch nicht wenn ich ganz dick zurueck komme. Es gibt immer
Reis und immer Gemuese. Aber ich liebe es und esse ganz viel. Na gut, an
Reis mit Gemuese am Morgen musste ich mich gewoehnen, aber Nutella kann ich
mir mittlerweile nur noch schlecht vorstellen. Ueberhaupt mutiere ich zum
Vegetarier. Selbst wenn ich mal die Gelegenheit habe Fleisch zu essen, mache
ich es nicht. Mit dem Alkohol ist es genauso. Wenn ich zurueck komme bin ich
der gesuendeste Mensch aller Zeiten! (Ich mach hier naemlich auch noch
Pilates)


Insgesamt bringt Indien mich echt an meine Grenzen, ohne Ruecksicht auf
Verluste. Manchmal moechte ich alles hinschmeissen, in meinem Bett bleiben
und hemmungslos weinen. Und dann gibst aber wieder Momente in denen ich
wahnsinnig zufrieden bin. Und hey, wenn ich morgens aus meinem Fenster gucke
scheint die Sonne und es ist warm, ich sehe Palmen und hoere das Meer
rauschen. Ich find besser kann ich es bald gar nicht haben. Und ich will
auch gar nicht an Indien verzweifeln, das waere wie aufgeben.


Liebe Gruesse,
Tine




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1. Zwischenbericht, 09.09.2006
Ein sonniges Hallo aus Indien,

hier mein Fazit nach einer Woche:

was soll ich sagen, Indien ist anders als alles was ich je erlebt habe. Es
ist ein wilder Mix aus Moderne und Tradition, ganz vielen seltsamen
Geruechen und viel Choas. Im Moment bin ich in einem Internetcafe in
Pondicherry, der naechst groesseren Stadt. Hier kann man ein paar wichtige
Sachen auf die ich schlecht verzichten kann, zB Toilettenpapier kaufen. In
der Tat benutzen die Inder ihre linke Hand und Wasser. Dementsprechend
kostet ein Rolle 1,20 Euro.

Ich war gerade Einkaufen und hab ein paar indische Klamotten gekauft (ein
dickes Danke an Tante Anke und Onkel Kaith). Die waren echt dringend noetig
sonst komm ich in meinem Dorf nicht ueber die Runden. Jeden Morgen bringe
ich meine 32 Kinder zur Schule ins naechste Dorf und die Einheimischen
muessen sich wohl noch an mich gewoehnen. Vorallem die jungen Maenner drehen
voellig durch wenn sie mal ne weisse Frau sehen. Ich hoffe nun, dass ich mit
den anderen Klamotten weniger Aufmerksamkeit bekomme. Is vielleicht aber
auch ne gute Erfahrung mal der absolute Aussenseiter zu sein, also mal auf
der anderen Seite zu stehen...

Mein Praktikumsplatz ist bei einer Organisation, die aus drei "kleinen"
besteht. Es gibt einmal das Kinderheim, dann ein Gesundheitszentrum und ein
Projekt, das die Menschen betreut, die 2004 vom Tsunami betroffen waren. Ich
denke, ich werde ueberall zu tun haben. Letzte Woche war ich mit unserem
Doktor (einer der wenigen gut aussehenden Inder) im Dorf. Wir haben die
Kleinkinder gewogen. Bis zu dem Tag dachte ich, ich koennte mir Armut
vorstellen, aber was ich da gesehen habe, hat mich fast aus meinen Sandalen
gehoben.

Die Kinder haben die typischen Wasserbaeuche und leiden unter Blutarmut. Die
Menschen wohnen manchmal mit 20 Familienmitgliedern in einer 2x3m Huette. Es
gibt kein Wasser und keinen Strom. Alte Frauen sitzen in einem Haufen mit
Abfaellen, die die Fischer nicht mehr brauchen konnten und versuchen davon
noch irgendwas zu essen. Viele Leute kamen und haben mich angebettelt. Das
war echt ein scheiss Gefuehl. Ich glaube diese Eindruecke muss ich auch
erstmal richtig verdauen. Danach habe ich mich fast nach dem jetzt wirklich
steril wirkenden Deutschland gesehnt...

Ich wohne im KInderheim und teile mir mit Doreen ein kleines Zimmer. Wir
haben 2 Betten und einen Schreibtisch. Mehr passt auch nicht rein. Aber ich
bekomme 3 Mahlzeiten am Tag (mit den Fingern essen macht echt Spass) und die
Dusche funktioniert auch meinstens, wenn auch kalt. Aber das ist nicht
schlimm, es ist ja sehr warm.
Nur an die Tiere muss ich mich noch gewoehnen. Neben den Moskitos gibt es
Schlangen, Geckos, giftige Frosche und riesige Tausendfuessler. Unser Doktor
hat mir aber versichert, er sei sofort zur Stelle falls mir was passiert.

Ansonsten funktioniert die Kommunikation ganz gut. Englisch geht mit den
meisten Leuten. Die Kinder allerdings sprechen nicht so gut, darum werde ich
ein Programm fuer den Englischunterricht im Heim entwickeln. Die
Dorfbevoelkerung spricht auch kein Englisch, ich glaube die meisten haben
gerade lesen und schreiben in der Landessprache Tamil gelernt.

Insgesamt hat Indien nichts mit dem zu tun, was man in Bollywoodfilmen
sieht, zu tun. Seltsam ist auch, dass in Europa diese ganze Hinduismus\
Buddhismus Sache vermarktet wird. Ich glaube wenn die Leute in meinem Dorf
das wuessten, wuerden sie sich vor Lachen nicht mehr einkriegen. Indien hat
augenscheinlich ganz andere Probleme.

Ich schreib euch wieder sobald es moeglich ist.

Ich hab euch lieb,
Eure Tine
www.sinnlos.be
Wer Foto's sehen möchte. Ein Mitstreiter
von Christine hat sie online gestellt.Der Link dazu:
Foto von Christine
zum Vergrößern-
klick auf das Bild.
Nachricht vom 04.09.2006:

Hi ihr,

die internetverbindung ist recht schlecht und langsam darum kann ich nicht
so viel schreiben. auch der strom faellt ab und an mal aus.

mir gehts aber sehr gut, obwohl hier wirklich alles ganz anders laueft.

hier meine adresse fuer den fall der faelle

Uluru Children's Home
Christine Krueger
No1. Kamala Avenue, off Alamparai Beach Road, Kadapakkam,
Cheyyur Taulk, Kanchipuram District - 603304


hab euch alle lieb,
tine